Die Rolle des Lehrers 4.0
von Jens Buchloh (Kommentare: 0)
Arbeitswelt 4.0 und Bildung 4.0...
waren bereits Thema des letzten Beitrags. Hier stellt sich mir ganz klar die Frage danach, wie die Rolle des Lehrers in dieser veränderten Arbeits- und Schulgesellschaft aussehen muss. Werfen wir gemeinsam einen Blick nach Estland, in die digitalisierteste Gesellschaft weltweit. Estland zeigt zum einen als Smart Country, wie die Digitalisierung verschiedenste Bereiche der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gut vernetzt und diese ineinander übergreifen. Zum anderen gilt das kleine Land als PISA-Spitzenreiter und somit als der ideale Ansprechpartner bei Bildungsfragen.
In Bezug auf den Lehrer sehen die Esten, dass dieser schon heute unterstützt werden muss, um optimal auf die Anforderungen des digitalen Wandels vorbereitet zu sein. Diese Unterstützung bekommt der Lehrer durch speziell zu sogenannten Bildungstechnologen ausgebildete Kollegen.
Bildungstechnologen leben die neue Rolle eines Lehrers selbst vor und unterstützen ihre Kollegen auf dem Weg in diese neue Rolle.

Wenn man diese Bezeichnung „Bildungstechnologe“ hört, so entstehen Assoziationen mit einem Experten, der sich in der Bedienung von digitalen Medien auskennt und Lernprogramme erklären kann. Diese Vorstellung deckt nur einen Teil von dem ab, was ich in Estland kennenlernen durfte. Dort ist der Bildungstechnologe eher als ein „Bildungsentstehungsexperte“ zu verstehen.
Man kann den Bildungstechnologen auch als einen Berater und Coach sehen. Seine Aufgabe ist es nicht, den Unterricht zu digitalisieren, sondern Lehrern und Schülern je nach ihrer persönlichen Disposition optimale Bildungskanäle zu vermitteln. Ob diese analog oder digital sind spielt dabei keine Rolle. Es geht bezogen auf Bildungsziele um Wirksamkeit!
Smartboards = Smarter Unterricht?

Smartboards implizieren nicht unbedingt einen smarteren Unterricht. Das zeigte sich in Estland sehr schön am Pelgulinna Gümnaasium in Tallinn. Hier wurden diese Boards erstaunlicherweise schon wieder abgesetzt und man kehrte teilweise zu traditionellen Tafelanschriften zurück. Die Smartboards waren durch die Bildungstechnologin, Birgy Lorenz, auf den Prüfstand der Wirksamkeit gestellt worden und dann im Einvernehmen mit den Lehrern abgeschafft worden.
Damit der Unterricht wirklich smart wird, betrachtet ein Bildungstechnologe jede Unterrichtssituation höchst individuell. Er schaut sich die vor ihm befindliche Klasse an, den jeweils unterrichtenden Lehrer und die Raumgestaltung. Nicht jedes Konzept ist für jede Klassenstruktur geeignet und nicht jedes Tool für den unterrichtenden Lehrer.

Interessierte Pädagogen können sich mit dem Bildungstechnologen über neue Möglichkeiten, aber auch über Herausforderungen durch den digitalen Wandel professionell und kritisch auseinandersetzen. Bildungstechnologen sind nicht als rein digitale Medienberater zu sehen. Das hat Estland bereits erkannt. Auch ethisch-moralische und soziale Fragen gehören zu den Aufgaben eines Bildungstechnologens. Er muss zudem darin geschult sein, gerade digitalferne bzw. -skeptische Lehrer emphatisch abzuholen und zu überzeugen.
Hinsichtlich einer modernen individuellen Bildung kann ein Bildungstechnologe ein Initiator sein. Er initiiert einen Wandel in der Haltung von Lehrern und überzeugt sie davon, nicht wie im Frontalunterricht vor einer Klasse stehen zu müssen, sondern als Bildungsbegleiter hinter jedem einzelnen Schüler stehen zu können.
Vor dem Hintergrund der Aufgaben und Fähigkeiten wundert es nicht, dass die Ausbildung zum Bildungstechnologen eine akademische mit Masterabschluss ist.
Mein Fazit:
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Im nächsten Beitrag erwartet Sie ein Interview mit einer Bildungstechnologin. Sie wird von ihrem Alltag als Educational Technologist erzählen, von ihren Aufgaben und ihrer Ausbildung berichten und den Begriff Digital Literacy erklären.