Interview K.Rundu II - Die Rolle des Lehrers in Zeiten des digitalen Wandels

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Nachdem ich Kaarel bereits gefragt habe, was er Schulen rät, die sich eine adäquate digitale Ausstattung nicht leisten können, interessiert mich nun die andere Sicht: Was ist mit Schulen, die sich eine digitale Ausstattung sehr wohl finanziell leisten können – aber sich damit nicht auskennen?

"Smarte Bildung im Zeitalter des digitalen Wandels" am 17.09.2017 im Atelierhaus im Anscharpark, Kiel

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Kaarel Rundu dazu:

„In Estland haben wir zum Beispiel eine Stelle, die heißt Bildungstechnologe. In einer idealen Schulwelt sollte jede Schule einen Bildungstechnologen haben, der sich die verschiedenen Plattformen und Lehrtechniken aneignet.“

 

Kaarel Rundu

In der Praxis sieht das so aus: Ein Fachlehrer kommt zum Bildungstechnologen und erzählt ihm, was er vorhat. Der Bildungstechnologe berät ihn daraufhin, welche digitalen Geräte für sein Vorhaben sinnvoll sind und wie er diese nutzen kann. Der Bildungstechnologe ist dabei mehr als ein technischer Berater – er ist Coach, der sich auch die persönliche Disposition des Lehrers anschaut. Mir gefällt, dass Kaarel in diesem Zusammenhang den Bildungstechnologen als einen „Wegführer“ bezeichnet. Ein guter Wegführer berücksichtigt bei der Auswahl der Route auch die Verfassung seiner Schützlinge. Ein schönes Bild!

Kaarel erklärt mir, dass aber nicht nur der Bildungstechnologe um Rat gefragt werden soll, sondern sich auch die Kollegen untereinander austauschen sollen. Es ist wichtig, sich gegenseitig zu informieren:

  • Welche Dinge können gut in den Unterricht integriert werden?
  • Welche können sogar die Arbeit erleichtern?
  • Welche Unterrichtsformen machen den Schülern am meisten Spaß?
  • Was vermittelt die Bildungsinhalte am anschaulichsten und nachhaltigsten?

Als Vater einer schulpflichtigen Tochter höre ich im Austausch mit anderen Eltern von Situationen, in denen Lehrern ihren Schülern in digitalen Themen unterlegen sind. Für einige Lehrer ist es häufig unangenehm, ihre eigene Schwäche zuzugeben und daher umgehen sie lieber die Nutzung digitaler Geräte anstatt die Schüler hier um Rat zu fragen. Kaarel kennt diese Problematik, die ich ihm schildere, auch. Aus diesem Grund finden an seiner Schule extra Lehrer-Lehrtage statt. An diesen Tagen haben Schüler und Lehrer bewusst die Zeit, sich zusammenzusetzen und gemeinsam zu schauen, welche Plattformen und Apps die Schüler nutzen. An diesen Tagen nehmen die Schüler aktiv die Position der Lehrenden ein und geben ihr Digitalwissen an die Lehrer und auch an interessierte Eltern weiter. In diesen Kontext passt auch sehr gut Kaarels Zitat:

Ein guter Lehrer ist der, der seine Schüler weiterbringt, als er selbst ist.

Kaarel Rundu

Nun habe ich gehört, dass Estland plant, alle Unterrichtsmaterialien zu digitalisieren. Ob dann überhaupt noch Platz für den Lehrer ist? Kaarel Rundu entgegnet dieser Frage, dass nicht alle Fächer digital vermittelt werden können, selbst wenn alle Unterrichtsmaterialien digitalisiert werden. Er sieht vor allem die Empathie und das Zwischenmenschliche des Lehrers im Fokus. Dem Schüler zuhören, Verständnis für dessen Probleme aufbringen oder beispielsweise Schüler-Streitereien schlichten, das sind alles wertvolle Handlungen, die ein Lehrer neben der Wissensvermittlung einbringt.

(...) weil jemand die Schüler durch diesen Dschungel aus Informationen führen und sie in der digitalen Welt auf dem richtigen Weg halten und auch die Gefahren aufzeigen muss. Nicht zu vergessen sind natürlich die sozialen Aspekte (...) Das kann kein digitalisiertes Buch und keine Plattform ersetzen. Deswegen sehe ich in Estland, obwohl wir so viel Digitales haben im Bildungssystem, dass die Rolle des Lehrers immer wichtiger wird.

Kaarel Rundu

In Teil III verrät Kaarel Rundu, was seine ersten Schritte wären, wenn er eine nicht-digitalisierte Schule übernehmen würde. Wie würde er die Lehrer darauf vorbereiten? Wie würde er das ohne finanzielle Unterstützung vom Staat machen? Zudem zeigt er auf, dass eine digital gut ausgerüstete Schule auch gleichzeitig einen großen Schwerpunkt auf sportliche und handwerkliche Angebote legen kann.

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